Thursday, September 21, 2006

der tod und das leben

heute ist tag 2 nach meiner 1. reanimation im krankenhaus.

da ich ja, wie die meisten wissen, mich für relativ abgebrüht,
kopfdenkerisch und kühl überlegend und weniger emotional
halte dacht ich naja, wieder ist etwas neues in meinen
arbeitstag getreten, daß sicherlich bald alltag und routine wird.
wenn menschen traurig sind, weil jemand stirbt, so denk ich
ach, auch ned schlimm. kümmert euch nicht um die toten,
gott will das eh ned, kümmer dich um die lebenden.

aber ich bin doch etwas erschrocken über meine gefühle oder
nichtvorhandenen gefühle.

es läuft wie in zeitlupe vor meinem inneren auge ab.
das notruftelefon auf der intensivstation klingelt.
wir rennen zum aufzug, fahren auf station 5a,
stürmen in das arztzimmer,
drinnen liegt ein 83 jähriger grauer mensch,
die augen sehen leer an die decke,
schwestern stehn an der seite, betroffen,
der arzt gibt anweisungen,
mein kopf schaltet sich auf einmal aus
ich soll ihn beatmen mit dem ambubeutel.
doch ich finde, der mensch sieht tot aus.
eine viertel stunde später muß/darf ich
herzdruckmassage durchführen,
also knie ich mich auf das bett und
drücke seinen brustkorb mit voller gewalt.
ich spüre es fast knacken, ich denke nur
noch oh jesus, bitte bitte, wo bist du.
eine halbe stunde später könnt ich heulen
doch wir machen weiter,
scheiße, dann drückt mir der arzt den defi
in die hand und ich muß elektrischen strom
durch diese graue, kalte gestalt jagen,
8 mal machen wir das bis wir aufgeben,
die nulllinie erscheint augenblicklich.

ich ziehe ihm die nadel und den tubus raus und wir
gehn nach 55 minuten wieder zurück auf station.

frühstücken dann und das leben geht weiter.

ich denke nicht mehr darüber nach aber
irgendwas ist komisch in mir.
plötzlich erscheint es mir als die einzig
logische alternative, mein herz und meine
seele auszuschalten, um nicht zu spüren.
es wird kalt in mir.

die losungen sagen an diesem tag:

"BIN ICH NUR EIN GOTT, DER NAHE IST
SPRICHT DER HERR,
UND NICHT AUCH EIN GOTT, DER FERNE IST?
BIN ICH ES NICHT, DER HIMMEL UND ERDE ERFÜLLT?"
jeremia 23, 23-24

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